Gedenkort für Deserteure
und andere Opfer der NS-Militärjustiz

Hamburg

Deserteurdenkmal Hamburg, Blick vom Dammtor Gedenkwand Lageplan + Bodengestaltung < click to enlarge
Gedenkwand und Bodenfläche vor dem 76er-Denkmal (Inschrift auf dem "Klotz": "Deutschland muss leben und wenn wir sterben müssen")


KONZEPT
Mit diesem Konzept für das "Denkmal für Deserteure und andere Opfer der NS-Militärjustiz" wird ein kommunikativer Gedenkplatz geschaffen, wo die Deserteure und die Opfer der NS- Justiz gewürdigt werden. Die Erfahrungen aus den bisherigen, langjährigen demokratischen Diskursen fließen in dieses Konzept mit ein: Das Thema soll wieder ins Bewusstsein der BürgerInnen gebracht und Aktionen um das 76-er Kriegsdenkmal und die bisherigen Diskussionen, insbesondere befördert durch die Wehrmachtsausstellung ("Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944" und "Was damals Recht war ...") miteinbezogen und das Denkmal mit den Stätten der Erinnerung in Hamburg verbunden werden.

An diesem stark frequentierten Ort, soll mitten in Hamburg ein neuer Platz entstehen, der die Passanten auf ihren Wegen innehalten lässt und sie durchaus kontrovers mit der Thematik vertraut macht. Bedingt durch die kommunikative Struktur der Inszenierung entsteht hier eine öffentliche Diskussionsplattform, die auch betont jüngere Generationen anspricht.

SKULPTUR
Das Deserteurs-Denkmal ist eine Raum-Boden-Skulptur, bestehend aus einer vertikalen Gedenkwand an einem horizontalen Gedenkplatz. Der Gedenkort und liegt genau in der räumlichen Öffnung, im Y-Kreuzungspunkt, wo die Wege von Dammtor, Stephansplatz und dem Eingang zu Planten un Blomen zusammen fließen. Der Platz ist durch zwei mittig nebeneinander stehende Bäume charakterisiert; sie zentrieren den Platz am neuen Gedenkort. Die beiden Bäume sind von quadratischen Baumbänken gerahmt, die großen Gruppen Platz und die Möglichkeit zu Gesprächen bieten.
Es entsteht ein besonderer Ort, der sich vom Umraum durch Farbe und Bodenbeschaffenheit unterscheidet. Bereits durch den Untergrund merken die eiligen Passanten, dass hier etwas anders ist: Der Bodenbelag ist ziegelrot; die Bodenbeschichtung weich gepolstert, weicher als ein Waldboden. Der Tritt auf diesem gedämpften Boden ist leiser als auf der übrigen harten Betonwerksteinpflasterung. Farblich ist die ziegelrote Fläche ein deutlicher Kontrast zum grauen Bodenbelag der Wege in dem grünen Umraum, sichtbar auch bei trüben Lichtverhältnissen. Das Ziegelrot ist ein Zitat für das Klinkerwerk in Neuengamme; die Bodenfläche wirkt wie ein Schatten der NS-Geschichte.
Auf der ziegelroten Fläche sind diagonal einzelne Worte aufgetragen, die sich auf die politischen Umstände und das Schicksal der Betroffenen beziehen. Den Beschimpfungen ("Feigling", "Drückeberger", "Wehrkraftzersetzer", "Befehlsverweigerer", "Vaterlandsverräter", "Landesverräter","Feigheit vor dem Feind"."Fahnenflucht"), in schwarz gedruckt, sind positive Begriffe gegenüber gesetzt (Fluchthelfer/in, Zivilcourage, Ethik, Mitmenschlichkeit, Mitgefühl, Gewissen, Mut, Pazifist/in, Widerstandskämpfer/in, Moral) in blau. Es entsteht eine Bühne im Alltag, Passanten verlangsamen den Schritt, bleiben stehen.

Die ziegelrote Fläche zieht sich über die östliche Wegbegrenzungslinie in die Begrünung hinein. Hier wird der "Ehrenhof" des 76er-Denkmals durch das Entfernen der westlichen Begrenzungsmauer aufgebrochen und neu besetzt. An diese horizontale Fläche angesetzt, parallel zum Weg, ist die Gedenkwand als vertikales, ziegelrot getöntes Textbild aufgestellt. Es steht etwas versetzt zum 76-er Denkmal, das aus der Nähe betrachtet davon überlagert wird und aus der Ferne auf den Zusammenhang verweist. 
Diese 3m hohe und 10 m lange halb-transparente Gedenkwand ist aus zwei Flächen Makrolon Titan (schlagsicher) zusammengesetzt, einmal transparent und dahinter rot getönt; schützend ist die Schrift zwischen den beiden Flächen aufgebracht. Das Bild trägt das Zitat aus dem Abschiedsbrief von Robert Gauweiler, der 1944 als Deserteur hingerichtet wurde:" Du brauchst Dich wegen meiner Hinrichtung nicht zu schämen, denn Du weißt wie ich, daß ich kein Verbrecher war, wohl ein Mensch, der eine Überzeugung hatte und nun für diese Überzeugung sterben muß." Der Text bestimmt den Charakter des Denkmals. Darunter die Übersetzung in Französisch und Englisch. Die Schrift ist kursiv, die Leserichtung verläuft entgegengesetzt zu den dahinter marschierenden Soldaten auf dem Kriegsdenkmal.

Das Postament der Gedenkwand ist aus matt poliertem Edelstahl. Darauf ist der Titel "Denkmal für Deserteure und andere Opfer der NS-Militärjustiz" eingelassen. Die beiden QR-Codes links und rechts auf dieser Fläche verlinken zu Informationsportalen der Hamburger Gedenkstätten.

Edelstahl spiegelt das Ziegelrot der Bodenfläche wieder und lässt eine fließende Gesamtform von Boden und Wand entstehen. Im Boden davor ist Licht eingelegt, das den reflektierenden Text auf dem Denkmal auch bei Dunkelheit sichtbar macht. Das Material von Bodenfläche und Gedenkwand ist sehr robust und langlebig und trägt den Ansprüchen im öffentlichen Raum Rechnung (siehe Materialangaben).

BELEUCHTUNG
Der Gedenkort wird in der Dämmerung und bei Dunkelheit mit Licht kennzeichnet. Die Glaswand wird von unten angestrahlt, ebenso wie die Bäume in der Mitte des Platzes. Bei der Gedenkwand und den Baumbänken sind Stromanschlüsse angelegt, die für Veranstaltungen genutzt werden können.

INFORMATIONSPORTAL
Informationen und Geschichtsfakten, die über das Kunstformat hinausgehen, werden an das bereits vorhandene Hamburger Gedenkstättenportal (per App, QR, etc) und das neue Portal "HamburgWissenDigital" angebunden und zusammen mit den Gedenkstätten erarbeitet.

SYMPOSIUM
Zur Einweihung des Denkmals soll ein interdisziplinäres Symposium den neuen Gedenkort in die Hamburger Gedenkstruktur einbinden und die bisherigen Forschungen der KZ-Gedenkstätte Neuengamme und des Hamburger Instituts für Sozialforschung vorstellen. Es dient dazu, die Rezeptionsgeschichte ins kollektive Bewusstsein zu bringen, denn seit den späten 70-er Jahren ist der Denkmalkomplex zwischen Dammtordamm und Planten un Blomen mit dem 76-er Kriegsdenkmal und dem Gegendenkmal von Alfred Hrdlicka Gegenstand heftiger Diskussionen in der Hamburger Öffentlichkeit.

BROSCHÜRE
Eine begleitende Broschüre dokumentiert den Entstehungsvorgang des Denkmals, sammelt die Beiträge das Symposiums und nimmt erste Veranstaltungen vor Ort sowie Kommentare der Hamburger BürgerInnen mit auf.

(c) Stih & Schnock, Berlin

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